Auf seiner ersten Türkeireise im Jahr 1976 war Rapunzel-Gründer Joseph Wilhelm einzig mit einer Liste von Trockenfrucht-Exporteuren ausgestattet, die er auf der Suche nach unbehandelten Sultaninen abklapperte. Viele von ihnen lachten den jungen, idealistischen Deutschen aus. Andere aber schenkten ihm ein offenes Ohr und waren von seiner Idee des biologischen Anbaus von Trockenfrüchten überzeugt. So knüpfte Joseph Wilhelm erste Kontakte zu Bauern und Verarbeitern in der Türkei. Nach zehn Jahren Pionierarbeit mit einer Handvoll Partnern konnten Mitte der 1980er-Jahre die ersten biologisch angebauten Produkte geerntet werden.
Anfängliche Hürden
Das Türkei-Anbau-Projekt lief jedoch nicht von Beginn an reibungslos. «Anfänglich war es eine Herausforderung, die Bäuerinnen und Bauern in der Türkei vom Konzept des Biolandbaus zu überzeugen», erzählt Eva Kiene, Pressesprecherin von Rapunzel, im Interview. «Dies vor allem auch deshalb, weil es die Bio-Bewegung, wie man sie in Mitteleuropa in den 1980er- bis 2000er-Jahren beobachten konnte, in der Türkei so nicht gab.» Zudem durchlaufen Landwirte in der Türkei in der Regel keine mehrjährige Ausbildung, wodurch ihnen manches Basiswissen, beispielsweise über naturwissenschaftliche Zusammenhänge, fehlt. Die Vision des Rapunzel-Gründers trug dennoch Früchte: «Heute bauen im Rahmen des Türkei-Anbau-Projekts knapp 400 türkische Bauernfamilien auf insgesamt 2300 Hektar biologische Aprikosen, Feigen, Haselnüsse, Trauben, Oliven und Peperoni für Rapunzel an», meint Kiene stolz. Viele davon haben dank Rapunzels Engagement auf biologische Landwirtschaft umgestellt.
Schätze aus dem ganzen Land
Die Früchte und Nüsse für Rapunzel gedeihen in unterschiedlichen Regionen der Türkei. Wie Kiene erklärt, bieten sich die verschiedenen Regionen des Landes aufgrund des Klimas für verschiedene Produkte an: «Die Haselnüsse gedeihen an der Schwarzmeerküste im Norden, die Aprikosen im Südosten des Landes und die Feigen, Sultaninen und Oliven im Westen.» Alle Bauernfamilien, die im Rahmen des Türkei-Projekts anbauen, werden dabei ganzjährig von festangestellten Rapunzel-Agraringenieuren betreut. Diese stehen den Landwirten bei allen Fragen rund um Qualität, Düngung oder Pflanzenschutz beratend zur Seite. Nach der alljährlichen Ernte gelangt ein Grossteil der Erzeugnisse in die eigene Verarbeitungsstätte von Rapunzel in der Nähe von Izmir im Westen des Landes. Seit 1997 werden dort Rohwaren sorgfältig kontrolliert, teilweise verarbeitet und für den Weitertransport zu Rapunzel ins süddeutsche Legau bereitgestellt.
Garantiert Bio, garantiert fair
Der Anbau im Rahmen des Türkei-Projekts geht über die reine Bioqualität hinaus. «Uns geht es beim Projekt vor allem um eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Biobauern in der Türkei. Das beinhaltet neben der Organisation der Biozertifizierung auch die Beratung der Biobauern durch festangestelltes Agrarpersonal. Darüber hinaus verpflichten wir uns zur Abnahme der vereinbarten Erntemenge und setzen Wert auf eine faire Partnerschaft sowie faire Preise», sagt Kiene. Im Gegenzug dazu sind die Bauern neben der Einhaltung der Vorgaben der Bio-Verordnung dazu angehalten, einen Verhaltenskodex zu befolgen. Dieser betrifft vor allem Sozialstandards, wie beispielsweise das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit. Damit unterstreicht Rapunzel seine Unternehmensphilosophie, die seit der Gründung im Jahr 1974 gelebt wird: «Unser Ziel ist es, einen aktiven Beitrag zu einer nachhaltigen und gesunden Lebensweise sowie zu einer gerechten und zukunftsfähigen Welt zu leisten. Mit dem Türkei-Projekt tun wir genau das», meint Kiene.
Haselnüsse aus der Schwarzmeerregion
Die Haselnüsse von Rapunzel stammen von kultivierten Haselnusssträuchern an der Schwarzmeerküste im Norden der Türkei. Ungefähr im August werden die reifen Haselnüsse geerntet, wobei «Ernte» in diesem Fall bedeutet, dass die reifen Haselnüsse vom Strauch fallen. Anschliessend werden die Haselnüsse in Schale und Hülse einige Tage in der Sonne getrocknet, bevor sie in die nahegelegene Kleinstadt Terme zur Lagerstätte gelangen. Dort betreibt Rapunzel eine eigene Haselnuss-Knackanlage, in der die Haselnüsse bei Bedarf frisch geknackt werden. Dann gelangen sie zur Weiterverarbeitung zu Rapunzel nach Legau, wo Leckereien wie Nuss-Nougat-Cremes, Haselnussmus oder Müslis entstehen. «Die Haselnüsse schmecken aber auch pur fantastisch», verrät Kiene.