Fröhliche Mitarbeitende

Fröhliche Mitarbeitende

Der Quartierladen Zum Feinen Martin

Der Laden in Erlenbach am Zürichsee wird von der Martin Stiftung geführt. Hier wohnen und arbeiten rund 170 Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Und klar, auch im Quartierladen sind einige von ihnen mittendrin. Doch der Feine Martin hat noch mehr Besonderheiten.

01.05.2023 Der Quartierladen Zum Feinen Martin

Der Feine Martin ist mehr als nur ein Lebensmittelgeschäft. Seit zwölf Jahren besteht das Team aus Fachpersonen und Menschen mit Beeinträchtigung. Die Aufteilung ist klar: «Die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung machen den Alltag und wir Fachpersonen bilden nur den Rahmen», sagt die Teamleiterin Elisabeth Lippuner. Warum das so ist?

Die Mitarbeitenden werden gefördert, selbstständiger zu werden, mitzudenken und flexibel zu sein. Denn kein Tag ist wie der andere. Der Gesprächsbedarf ist gross. Wer springt ein, wenn jemand ausfällt, wer hilft wem und wer hat Zeit noch ein Gestell zu putzen oder eine Lieferung einzuräumen?

Das Einräumen von Waren, die Kundenberatung, das Einkassieren, Reinigung und der Käseverkauf an der Offentheke zählen zu den täglichen Aufgaben. Beliebt ist es, die Produkte zu dekorieren und die Werbetafel hinter der Kasse zu bemalen. Auf einer Liste im Flur sind alle Arbeiten aufgelistet und täglich wird angekreuzt, wer was macht.

Gute Gründe, im Feinen Martin zu arbeiten
«Bei uns können die meisten Mitarbeitenden lesen und rechnen, sie unterstützen sich gegenseitig», erklärt die Arbeitsagogin Svenja Sax. «Das macht es einfacher, wir kommen meist ohne unterstützte Kommunikation aus.» Diese ist u.a. in Form von Wochen- oder Tagesplänen mit Icons überall in der Martin Stiftung zu finden. Sie helfen, Arbeiten auch für Menschen, die nicht lesen können, verständlich zu machen. Als Arbeitsagogin begleitet Sax die Mitarbeitenden im Arbeitsalltag, ist Ansprechperson bei Problemen, hilft am Telefon, wenn jemand zum Beispiel wegen einer psychischen Verstimmung morgens nicht aufstehen kann. «Meist helfen das Gespräch am Telefon, Verständnis und die Tagesstruktur», erzählt Sax. Besonders aus einem Grund:

«Ich fühle mich hier wohl, werde nicht ausgenutzt und man hat Verständnis, wenn es mir nicht gut geht. Wir helfen uns gegenseitig», sagt eine Mitarbeiterin, die schon seit zwölf Jahren im Quartierladen arbeitet. Für eine andere Mitarbeiterin ist der Arbeitsplatz die Chance, Neues zu lernen, um irgendwann einen ganz normalen Job im allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen. «Wir lachen hier sehr viel. Ob man ausserhalb vom geschützten Rahmen auch so viel lachen kann, weiss ich nicht», meint sie verschmitzt. Ein Mitarbeiter, der auch schon seit sechs Jahren zum Team gehört und sogar mitgeholfen hat, die neuste Fachperson einzuarbeiten, erzählt: «Am besten gefällt mir hier, dass es so viele coole Leute hat. Im Feinen Martin kommen alle vorbei und reden miteinander. Das ist lässig.»

Das Sortiment
Was wünschen sich die Kunden? Was möchten sie im Sortiment haben? Das hat das Team vom Feinen Martin neben den internen Wohngruppen auch die Nachbarschaft gefragt. Seitdem werden Bio-Produkte und auch konventionelle Waren geführt. Ein Schwerpunkt liegt auf regionalen Produkten, die fair und ökologisch produziert werden. Der Kaffee wird zum Beispiel von Menschen mit einer Behinderung im Zürcher Oberland geröstet, in der Vivazzo Stiftung. Das Brot liefert die Bäckerei der Stiftung Palme, die ebenfalls geschützte Arbeitsplätze anbietet.

Verkauft werden auch Eigenprodukte der Martin Stiftung: Gemüse und Eier vom eigenen Biohof, veganer Wein, Teigwaren und Risotto, Teemischungen, Sirup und Geschenkideen.

Bewohne lernen das Einkaufen
Im Quartierladen können die rund 170 Bewohnerinnen der Martin Stiftung das Einkaufen lernen. Sie kaufen für die Wohngruppe ein oder etwas für sich privat. So sammeln sie Erfahrungen mit Einkaufslisten und den Umgang mit Geld. Später können sie auch ausserhalb der Stiftung selbständig einkaufen. Für ältere Nachbarn im Quartier hat der Feine Martin eine besondere Dienstleistung: Die Mitarbeiter rüsten die per Telefon bestellte Ware und liefern sie mit dem Auto bis zur Wohnungstür.

Direkt am Eingang vom Areal der Martin Stiftung gelegen, ist der Feine Martin ein Treffpunkt für Bewohner und Nachbarinnen geworden, die Lounge vor dem Eingang ein Ort der Begegnung. Und von wem sind die Pflanzen dort? Die hat die Gärtnerei Zum Grünen Martin nebenan im eigenen Gewächshaus gezogen, auch hier gibt es geschützte Arbeitsplätze. «Das Schöne ist, dass man nicht nur regional und bio einkauft kann, sondern es auch den sozialen Aspekt gibt und man Menschen mit Beeinträchtigung unterstützt. Man merkt, dass vielen Menschen diese Kombination wichtig ist,» findet Svenja Sax.